Ort, Kanton | Gstaad, BE | Koord. Talstation | 587.971/146.260 ; 1043 m.ü.M | Koord. Bergstation | 586.728/145.787 ; 1557 m.ü.M |
| Einstufung | National | Besuch | 23.03.2010 eb | Inventar | 26.11.2010 zk |
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Betreiberin | Bergbahnen Destination Gstaad | Hersteller | Müller GMD |
| Baujahr | 1983 | Erstinbetriebsetzung | 1983 | Umbauten | | Anlage Ersatz geplant | 2018 |
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Situation
Beschreibung der Anlage
Gstaad, der touristische Hauptort des Saanenlandes, ist Teil der Berner Oberländer Gemeinde Saanen und liegt südöstlich des Dorfes Saanen. Die Entwicklung des Tourismus im Saanenland wurde mit der Inbetriebnahme der Montreux-Oberland-Bahn MOB 1905, bei deren Streckenführung Gstaad erst in einer fortgeschrittenen Planungsphase einbezogen worden war, erheblich vorangetrieben. Der Aufschwung im Fremdenverkehrssektor erlitt durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine empfindliche Einbusse; erst ab den 1920er-Jahren konnte die touristische Infrastruktur weiter ausgebaut werden. Erste Projekte für mechanische Aufzugshilfen für Alpinskisportler gehen in die 1930er-Jahre zurück: Vor der Realisierung einer ersten Funi-Schlittenseilbahn des Systems Annen auf die Wispile bei Gstaad 1934 führte ein Raupenauto die Skifahrer von Saanenmöser auf den Hornberg. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Fremdenverkehr im Sannenland mit abwechslungsreichen Winter- und Sommerangeboten erneut vorangetrieben: Erstmals wurden zudem Bergbahnen erstellt, die auch im Sommer benutzt werden konnten, so beispielsweise der Sessellift auf den Wasserngrat von 1946. Eine grosse Wachstumsphase erlebte der Tourismussektor im Saanenland in den 1980er-Jahren. Heute wird der Fremdenverkehr im Saanenland von Gstaad Saanenland Tourismus betreut und unter dem Label Gstaad vermarktet; die Bergbahnen sind im Verbund Destination Gstaad zusammengeschlossen.
Die Kernzone des Skigebiets um Gstaad, das bereits seit der Zwischenkriegszeit für Skifahrer mit Funis erschlossen ist, teilt sich in zwei Bereiche und befindet sich zum einen am Eggli westlich des Dorfzentrums, zum anderen im Gebiet Wispile, auf der rechten Seite der Saane südlich von Gstaad. Die zum Eggli hinauf führende Bergbahn ist eine, anstelle einer Vierer-Gondelbahn (1955) 1983 neu errichtete Einseilumlaufbahn mit betrieblich lösbaren Vierer-Kabinen des Schweizer Herstellers Gerhard Müller GMD. Die Strecke beginnt westlich von Rütti auf 1'043 m ü. M. und steigt in südwestlicher Richtung hinauf zum Oberen Motzi auf 1'557 m ü. M.. Die mit 1'430 m vergleichsweise kurze Strecke ist geradlinig, unterquert zunächst eine Freileitung und passiert im mittleren Abschnitt Waldgebiet. Die Bahnlinie wird mit 16, für Müller-Umlaufbahnen charakteristischen, konischen Stahlfachwerk-Stützen bewältigt. Der Unterflurantrieb mit Kettenkupplung ist in der Bergstation untergebracht. Die Gewichtsspannvorrichtung des Förderseils befindet sich in der Talstation.
In den Stationen bewegen Kettenförderer die vom Förderseil los gekuppelten Fahrzeuge. Die Beschleunigung beziehungsweise Verzögerung der Kabinen, die über eine Türautomatik verfügen, erfolgt über ein aus Schwerkraft und unabhängig angetriebenen Gummirädern kombiniertes System. Die Fahrbetriebsmittel werden mit Müller'schen Schraubenklemmen-Paaren des Typs C an das umlaufende Seil geklemmt, bei denen der Öffnungs- und Schliessmechanismus über Zahnräder, die an den Klemmgehäusen angebracht sind und an den Kuppelstellen von Zahnstangen aktiviert werden, beziehungsweise über die Spannung und Entspannung der Tellerfederpakete, welche die Kraft der Klemmbacken aufbringen, betätigt wird.
Die beiden Bauwerke, welche die Stationskomponenten umhüllen, sind unterschiedlich und multifunktional ausgebildet. Das Talstationsgebäude ist in Anlehnung eines ortsüblichen Chalets gestaltet und umfasst neben dem technischen und dem für die Kunden bestimmten Bereich eine Betriebswohnung; die Bergstation ist ein unspektakulärer, voluminöser Hallenbau, in dem ein Grossteil der Fahrzeuge garagiert wird.
Gesamtwürdigung
Die zu touristischen Zwecken errichtete, ganzjährig betriebene Seilbahn Gstaad – Eggli ist eine Einseilumlaufbahn mit betrieblich lösbaren Vierer-Kabinen. Die von der Schweizer Herstellerfirma Gerhard Müller GMD 1983 errichtete Bahn zeichnet sich aus durch eine qualitätvolle Klemm- und Seilbahntechnik, wie sie im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts in Konkurrenz zur legendären VR101-Klemme von Von Roll bei zahlreichen Schweizer Umlaufbahnen zum Einsatz kam. Als letzte erhaltene und betriebsfähige Einseil-Umlaufkabinenbahn von Müller kann der Gstaad-Eggli-Bahn ein hoher seilbahntechnischer und -geschichtlicher Zeugniswert zugesprochen werden. Die Bahn, die bis auf die Fernüberwachungsanlage (erneuert 2003) vollumfänglich von 1983 stammt und mit der Linienführung und den Stationsbauten gar Elemente der 1955 vom gleichen Hersteller errichteten Vorgängerbahn aufweist, ist repräsentativ für die einst umfangreiche und bedeutende Werkgruppe des innovativen und charismatischen, insbesondere im Bereich der Skilifte und Umlaufbahnen starken Maschineningenieurs und Seilbahnkonstrukteurs Gerhard Müller aus Dietlikon.
Bewertung
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Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) |  | Erschliessung des Skigebiets Eggli südwestlich von Gstaad auf das Obere Motzi; Ersatzanlage für UK-04 von 1955 |
Linienführung: Planung, Umsetzung |  | relative kurze, gerade Strecke; am Streckenbeginn unter Freileitung hindurch; teilweise durch Wald |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien |  | Einseilumlaufkabinenbahn nach System Müller mit typischer C-Klemme; Beschleuniger/Verzögerer als Kombination von Schwerkraft u. unabhängigem Elektroantrieb; Weiterentwicklung (1983) der ursprünglichen Müller-Klemme (Klemmgehäuse mit Zahnrad); in Bergstation Unterflurantrieb mit Kettenkupplung; in Talstation Gewichtsabspannung des Förderseils; charakteristische, lotrecht montierte Fachwerk-T-Stützen |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller |  | letzte, integral überlieferte Vierer-Einseilumlaufkabinenbahn nach System Müller in der Schweiz |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | - | - |
Architektur |  | Stationsgebäude: Typ Mega-Chalet, der lokalen Architektursprache angepasst; Tal: multifunktionales Gebäude mit Kasse, Kundenabfertigung, Wohnung u. Garagierung; Berg: Garagierung |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien |  | Mischkonstruktion: Massiv-, Stahl- u. Holzbauweise; Satteldach auf Stahlfachwerkbindern |
bautypologische Bedeutung |  | enge Verquickung von Seilbahnstationseinrichtung u. Baute; integraler Bestandteil aus der Bauzeit |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten |  | Ersatz Vorgänger; gepflegte, bis auf Fernüberwachung integral von 1983 überliefert |
Qualität der Nachrüstungen |  | nur Fernüberwachung |
funktionale Unversehrtheit |  | in Betrieb |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | - | |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär |  | Winter- u. Sommerbetrieb; wichtiger Infrastrukturbestandteil der weltberühmten Fremdenverkehrsdestination Gstaad |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts |  | vom Dorfrand aus; im oberen Teil durch Wald; nicht über Baumspitzen; in Landschaft, die von technischen Infrastrukturen belastet ist |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur |  | Berggasthäuser; weitere Aufzugsanlagen; Wanderwege |
Verkehrsnetze |  | beste Erschliessung: Zufahrtsstrasse für motorisierten Individualverkehr; ÖV: Zuglinie Zweisimmen-Montreux; Busverkehr |
Anhang 1: Technische Daten
Anhang 2: Apparat
Quellen |
- | Gerhard Müller Maschinenbau AG, Zürich (Schweiz): Seilbahnanlage mit automatisch betätigter Seilklemme, Schweizerische Eidgenossenschaft, Patentschrift Nr. 284670 Klasse 127a, veröffentlicht 01.12.1952 |
Literatur |
- | Feuz, Fritz: Wunderbar - kuppelbar, in: 50 Jahre Seilbahnen der Schweiz 1957 - 2007, hrsg. v. Vereinigung Technisches Kader VTK 2007, p. 87-96 |
- | Gstaad Saanenland Tourismus: 1906-2006: 100 Jahre Tourismusvereine. Gstaad, Saanen, Schönried, Saanenmöser, Lauenen, Turbach, Feutersoey, Gsteig, Abläntschen, Gstaad 2006, Version vom 15.11.2010, URL: http://www.gstaad.ch/de/page.cfm/KulturTradition/Historisches/GeschichteGST |
- | Gentil, Claude: Kuppelbare Einseil-Umlaufbahnen System Müller, Version vom 19.11.2010, URL: http://www.seilbahn-nostalgie.ch/mueller.html |
e-docs |
- | http://www.gstaad.ch/de/page.cfm/KulturTradition/Historisches/GeschichteBDG |
- | http://flickr.com/photos/21304100@N08/2266108733/ |
- | http://www.bahn-bus-ch.de/bahnen/bdg/bdg.jpg |
- | http://www.alpinforum.com/forum/viewtopic.php?f=53&t=30453 |
- | http://www.sommerschi.com/forum/viewtopic.php?f=8&t=1067&view=next |
Anhang 3: Jahrzahlen der Komponenten
Anhang 4: Relationen
Hersteller | Müller GMD | | Gerhard Müller GMD | | |
Anhang 5: Bildauswahl