Das ehemalige Fischerdörfchen Brusino Arsizio am Luganersee liegt am Fusse des Monte San Giorgio. Mit dem Bau von zahlreichen Ferienhäusern entwickelte sich das Dorf zu einem Ferienort an der Strasse von Riva San Vitale nach Porto Ceresio in Italien.
Vom Ortsteil Terniciolo führt seit 1958 eine Luftseilbahn nach Serpiano. Diese zu Brusino Arsizio gehörende Fraktion konnte lange Zeit nur zu Fuss oder über die Strasse via Mendrisio (Rancate-Besazio-Meride-Serpiano) erreicht werden.
Ein erstes Projekt sah bereits 1911/12 den Bau einer Standseilbahn von Brusino Lago nach der Alp Serpiano vor. Nachdem eine kapitalkräftige Gesellschaft aus Mailand die Alp und die angrenzenden Buchen- und Kastanienwälder gekauft und ein erstes Hotel errichtet hatte, plante sie die Erstellung eines Villenquartiers. Die zum Bau der Siedlung nötige Materialbahn sollte später zum Transport der Gäste benutzt werden. Der Bau von Siedlung und Bahn kam aber nicht zur Ausführung.
Ein Initiativkomitee unter dem Vorsitz des Zuger Architekten Alois Stadler nahm 1956 einen neuen Anlauf zum Bau einer Bahn. Im folgenden Jahr wurde die erste vollautomatisch betriebene Personenseilbahn der Schweiz erstellt. Das heisst, dass neben dem Antrieb der Bahn auch das Einziehen des Fahrgeldes, das Abzählen der Fahrgäste, die Übergewichtskontrolle und die Türschliessung an den Kabinen durch eine automatische Steuerung abgewickelt und überwacht wurde.
Die zweispurige Pendelbahn nach dem System des Ingenieurs Karl Peter aus Garmisch-Partenkirchen entstand aus Komponenten von verschiedenen Schweizer Herstellern. Die gerade, 923 m lange Linie überquert bewaldetes Gebiet und führt in südlicher Richtung zur Bergstation auf 651 m ü. M.. Die Bahn besitzt bloss eine elegante Dreibeinstütze aus Stahlrohren bzw. -kasten.
Die Tal- sowie die Bergstation sind ansprechende Betonrahmenkonstruktionen mit Füllungen aus Backsteinen bzw. Glas. Die wohl von Alois Stadler und seinem Partner Hanns A. Brütsch entworfenen Hochbauten sind klar der Formensprache der 1950er-Jahre verpflichtet. An die Bergstation schliesst gegen Westen das Ristorante Funivia an.
Die beidseitig abgerundeten, für je zehn Personen zugelassenen Kabinen wurden 1997 durch eine kantigere Version der Firma Gangloff ersetzt. Die Profilstahl-Gehänge mit ihren achtrolligen Laufwerken basieren auf der ursprünglichen Ausführung nach Karl Peter. Sie wurden 1997 durch die Firma Garaventa nachgerüstet.
Die Antriebsgruppe der Bahn ist in der Talstation untergebracht, wo sich auch die Spanngewichte der Tragseile und des Zugsseils befinden. In der Bergstation wird das Zugseil umgelenkt, während die Tragseile dort fixiert sind.
Der Motor und das Getriebe stammen noch aus der Bauzeit. Die Betriebsbremse, die Steuerung und die Überwachungsanlage wurden 1997 ersetzt.
Die Seilbahn ist weiterhin das schnellste Verkehrsmittel nach Serpiano und somit ins Gebiet des Monte San Giorgio, das 2003 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Daneben bringt die Bahn Gäste zum Kur- und Wellnesshotel Serpiano. Das 1971 nach Plänen von Hanns A. Brütsch erbaute Kurhotel war bis 2008 im Besitz der Krankenkasse Konkordia.
Die Bahn von Brusino Arsizio nach Serpiano ist die erste vollautomatische Luftseilbahn der Schweiz. Die Anlage basiert auf dem von Ingenieur Karl Peter aus Garmisch-Partenkirchen entwickelten System. Weitere nach dem System Peter erstellte und erhaltene Bahnen sind die Graseckbahn in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen (erb. 1953) und die Kranzberg-Gipfelbahn im oberbayerischen Mittenwald (erb.1955). Die weitgehend original erhaltene Tessiner Bahn besitzt Seltenheitswert und hohe technikgeschichtliche Bedeutung. Neben der Anlagetechnik besticht die Bahn auch durch ihre zeittypischen Stationsbauten von hervorragender Qualität.
| | |
Konzeption | | |
Erschliessungsidee (Vision) | | Initiativkomitee Schwebebahn Brusino-Serpiano aus Zug: Errichtung eines kurzen, unbeschwerlichen Zugangs zu dem malerischen Ort; Erstellung einer einfacheren Erschliessung des Kurhauses; Anschluss an Schiffsanlegestelle in Brusino |
Linienführung: Planung, Umsetzung | | seilbahntechnisch ideal (auch zum Fortsetzen); quert Tal; nur eine Stütze (preiswerte Konstruktion); in erheblicher Distanz zum Kurhotel auf der Alp Serpiano |
Seilbahntechnik | | |
besondere oder typische tech. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | vollautomatische zweispurige Luftseilbahn mit einem Tragseil im Pendelbetrieb; gepflegte Antriebsgruppe in Talstation; Trag- u. Zugseilabspannung mittels Gewicht in Talstation; elegante Dreibeinstütze aus Stahlrohren bzw. -kasten; vollständige Offenlegung u. explizite Zurschaustellung der Anlagetechnik; sehr schlanke u. elegante Anlage (Kabine) |
seilbahntechnische Bedeutung: Prinzip, Hersteller | | erste vollautomatische Luftseilbahn der Schweiz nach System Peter aus Garmisch-Partenkirchen: Realisierung mit Komponenten von Fremdproduzenten bzw. Schweizer Herstellern (erste Anlage von Peter 1953 in Garmisch-Partenkirchen) |
Baukunst: Streckenbauwerke, Hochbauten | | |
Ingenieurbau | | eine einzige, elegante Dreibeinstütze aus Stahlrohren bzw. -kasten |
Architektur | | formal u. konzeptionell einheitliches, zeittypisch ausgebildetes Hochbautenensemble von hervorragender Qualität (Arch. Alois Stadler oder Hanns Brütsch?) |
besondere oder typische arch. Konstruktion, Ausführung, Lösung, Materialien | | in der Formensprache der 1950er-Jahre ausgebildet; Tragwerk aus Beton, Füllungen aus Sichtmauerwerk bzw. Glas; feingliedrig u. sparsam |
bautypologische Bedeutung | | zeittypisches, integral erhaltenes Hochbautenensemble einer Luftseilbahn der 1950er-Jahre |
Authentizität: materielle, ideelle Überlieferung | | |
Umfang und Qualität der ursprünglichen Komponenten | | bis auf Betriebsbremse u. Steuerung (alte Steuerung vor Ort noch erhalten und betriebsbereit) u. Überwachung erhalten |
Qualität der Nachrüstungen | | Erneuerung unter Belassung alter betriebsfähiger Komponenten; aus ökonomischen Gründen sehr gezielt unterhalten |
funktionale Unversehrtheit | | als Touristenbahn u. ÖV in Betrieb |
Kulturgeschichte | | |
Personen, Firmen, Institutionen | | Zusammenhang mit dem Kurhotel Serpiano |
Wirtschaft, Tourismus, Verkehr, Militär | | UNESCO Welterbestätte; Wandergebiet Monte San Giorgio; Kurhotel Serpiano |
Räumliche Situation | | |
Berücksichtigung der Landschaft, der natürlichen Umgebung, des urban. Kontexts | | sehr gut in die bemerkenswerte Landschaft eingebettet; da die Bergstation nicht auf der Bergspitze angelegt ist, weniger auffallend |
Infrastruktur | | |
touristische/betriebliche Infrastruktur | | Bahnanlage gehört zum Komplex des Kur- u. Wellnesshotels Serpiano (bis 2008 im Besitz der Konkordia-Versicherung); Zubringer zu UNESCO-Weltnaturerbe Monte San Giorgio |
Verkehrsnetze | | Schiffsroute, -anlegestelle; Touristenbahn, dient aber auch als öffentliche Erschliessung (um Monte San Giorgio herum führende Strasse) |
Strecke | | |
Betriebszweck | | Touristisch, Öffentliche Erschliessung |
Streckenlänge (schief) | | 923 m |
Höhendifferenz | | 368 m |
Grösster Bodenabstand | | 90 m |
Neigung Maximal; Mittelwert | | 446 o/oo; 435 o/oo |
Spurweite (auf Stützen) | | 8200 mm |
Anzahl Stützen | | 1 |
Stützenbautechnik; Stützenform | | Stahlkasten, Stahlrohr; T-Stütze |
Stützen Hersteller | | 1957; Karl Peter, Bergbahnbau Garmisch |
Hochbauten | | |
Talstation Name; Konstruktion | | 1957; Brusino; Massiv (Beton/Mauerwerk) |
Bergstation Name; Konstruktion | | 1957; Serpiano; Massiv (Beton/Mauerwerk) |
Seile | | |
Tragseiltyp | | Vollverschlossen |
Tragseil Anzahl pro Spur; Durchmesser | | 1; 29 mm |
Zugseil Anzahl; Durchmesser | | 1; 16 mm |
Gegenseil Anzahl; Durchmesser | | 1; 16 mm |
Tragseil Spannseil Anzahl; Durchmesser | | 1; 45 mm |
Antrieb | | |
Antrieb Ort | | in Talstation |
Motor Hersteller | | 1958; Schindler |
Antriebstyp; Motorleistung | | Gleichstrom Ward Leonard WL; 55/70 kW |
Getriebe Hersteller | | 1958; Flender |
Notantrieb für Räumung | | Hydraulisch mit Verbrennungsmotor |
Bremsen | | |
Betriebsbremse | | 1997; Trommelbremse |
Sicherheitsbremse | | 1958; Scheibenbremsen |
Fangbremsen | | 1958; Am Laufwerk mitte |
Mechanische Einrichtungen | | |
Tragseil-Spannsystem | | Gewicht Talstation |
Rollenkette für Tragseil | | nein |
Zugseil-Spannsystem | | Gewicht Talstation |
Einzeltüren zum Fahrzeug in Station | | ja |
Elektrotechnische Einrichtungen | | |
Steuerung Hersteller | | 1997; Frey AG Stans |
Kopierwerk | | 1997; Mechanisch, Digital |
Fernüberwachungsanlage Hersteller | | 1997; Frey AG Stans |
Fahrregime | | Gesteuert im Kommandoraum |
Kommunikations System | | Telefon, Funk, Video |
Fahrbetriebsmittel | | |
Anzahl | | 2 |
Plätze / Fahrzeug | | 10 |
Nutzlast; Fahrbetriebsmittel Leergewicht | | 800 kg; 950 kg |
Kabinen Hersteller | | 1997; Gangloff Bern |
Kabinen Länge; Breite; Höhe | | 2150 mm; 1400 mm; 2510 mm |
Automatische Türen | | ja |
Gehänge Hersteller; Gehängetyp | | 1958; Karl Peter, Bergbahnbau Garmisch, Garaventa; Profilstahl |
Laufwerk Hersteller | | 1958; Karl Peter, Bergbahnbau Garmisch, Garaventa |
Zugseilbefestigung | | Klemmkopf |
Förderleistung | | |
Fahrgeschwindigkeit max.; Fahrzeit | | 6 m/s; 4 Min. |
Personenleistung; Jahresbeförderung Total | | 160 Personen/h; 24000 Pers./Jahr |
Notwendiges Betriebspersonal | | 1 Pers. |